- Inhaltsverzeichnis
- Zulässigkeit
- Zuständigkeit (Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 I BVerfGG)
- Beschwerdefähigkeit / teilw. Beschwerdeberechtigung (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
- Natürliche Personen
- Juristische Personen
- (Prozessfähigkeit)
- Beschwerdegegenstand (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
- Beschwerdebefugnis (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
- Selbst
- Gegenwärtig
- Unmittelbar
- Rechtsschutzbedürfnis
- Rechtswegerschöpfung (§ 90 II BVerfGG)
- Subsidiarität
- Form (§§ 23 I, 92 BVerfGG)
- Frist (§ 93 BVerfGG)
- Begründetheit
Zulässigkeit
Zuständigkeit (Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 I BVerfGG)
Die Zuständigkeit des BVerfG für die Verfassungsbeschwerde ergibt sich aus Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 I BVerfGG.
Beschwerdefähigkeit / teilw. Beschwerdeberechtigung (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
„Jedermann“ kann Verfassungsbeschwerde erheben.
Die prozessuale Beschwerdefähigkeit richtet sich somit nach der materiell-rechtlichen Grundrechtsfähigkeit.
Natürliche Personen
Natürliche, lebende Personen sind beschwerdefähig. Str. ist lediglich die Grundrechtsfähigkeit des ungeborenen / werdenden Lebens („Nasciturus").
Juristische Personen
Juristische Personen sind unter den Voraussetzungen des Art. 19 III GG beschwerdefähig.
Siehe hierzu ausführlich die Übersicht: Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen (Art. 19 III GG).
(Prozessfähigkeit)
- Minderjährige (oder anderweitig in der Geschäftsfähigkeit Beschränkte / Geschäftsunfähige)
- Keine starre Altersgrenze
- Richtet sich nach der materiell-rechtlichen Grundrechtsmündigkeit für das jeweils in Anspruch genommene Grundrecht
Beschwerdegegenstand (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
Tauglicher Beschwerdegegenstand kann jeder Akt der öffentlichen Gewalt sein, d.h. Maßnahmen der Legislative, der Judikative oder der Exekutive:
- Legislative → Rechtssatzverfassungsbeschwerde
Gegen jede Rechtsnorm, z.B. Parlamentsgesetz, Rechtsverordnung, Satzung
- Judikative → Urteilsverfassungsbeschwerde
- Exekutive → Exekutivaktverfassungsbeschwerde
Hier: Grundsätzlich erst Rechtsweg erschöpfen, weiter im Rahmen der Urteils-VerfB
Als Maßnahme kommt auch ein Unterlassen in Betracht.
Liegen mehrere Akte der öffentlichen Gewalt vor (z.B. Verwaltungsakt, Widerspruchsbescheid, erstinstanzliches Verwaltungsgerichtsurteil, Urteil des OVG) hat der Beschwerdeführer nach Ansicht des BVerfG die Wahl, ob er nur gegen die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung vorgehen möchte oder zusätzlich auch gegen die der Vorinstanz(en) bzw. den ursprünglichen VA.
Beschwerdebefugnis (Art. 94 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG)
Der Beschwerdeführer muss durch den Beschwerdegegenstand möglicherweise (Möglichkeitstheorie) in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte (sog. grundrechtsgleiche Rechte) verletzt sein.
Der betreffende Akt der öffentlichen Gewalt muss den Beschwerdeführer hierfür selbst, gegenwärtig und unmittelbar betreffen.
Selbst
Beschwerdeführer muss in seinen eigenen Grundrechten / grundrechtsgleichen Rechten verletzt sein.
Gegenwärtig
- Grundsatz: Grundrechtsverletzung liegt schon vor oder dauert noch an.
- Ausnahme: Der Akt zwingt den Beschwerdeführer zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen.
Unmittelbar
Der Akt ändert selbst und ohne weitere Vollzugsakte die Rechtsstellung des Beschwerdeführers.
Rechtsschutzbedürfnis
Beschwerdeführer benötigt ein schutzwürdiges Interesse:
- Grds. nicht gegeben, wenn Akt sich zum Entscheidungszeitpunkt erledigt hat
- Ausnahme: Wiederholungsgefahr; allg. Klärungsinteresse grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen
Rechtswegerschöpfung (§ 90 II BVerfGG)
- Grundsatz
Der Rechtsweg muss, sofern eröffnet, erschöpft sein (§ 90 II 1 BVerfG).
- Ausnahme
Verfassungsbeschwerde ist von allgemeiner Bedeutung oder dem Beschwerdeführer drohen schwere und unabwendbare Nachteile (hohe Anforderungen) bei Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 II 2 BVerfGG).
Subsidiarität
Der Beschwerdeführer muss grds. alle sonstigen Möglichkeiten, fachlichen Rechtsschutz zu erhalten, genutzt haben.
Prüfungspunkt ebenfalls erfüllt, wenn:
- Beschwerdegegenstand ein Gesetz ist, gegen das kein Rechtsweg gegeben ist oder
- Unzumutbarkeit des Rechtswegs anzunehmen ist (z.B.: Entgegenstehen gefestigter Rechtsprechung).
Form (§§ 23 I, 92 BVerfGG)
Eingehen muss die Verfassungsbeschwerde beim BVerfG...
- schriftlich (§ 23 I 1 BVerfGG) und
- begründet (§ 23 I 2 BVerfGG) unter Nennung des verletzten Rechts sowie des Akts der öffentlichen Gewalt (§ 92 BVerfGG).
Frist (§ 93 BVerfGG)
- Monatsfrist: Bei Urteils-Verfassungsbeschwerde (§ 93 I 1 BVerfGG).
- Jahresfrist: Bei Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde (§ 93 III BVerfGG).
Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn und soweit der Beschwerdeführer durch den angreifenden Akt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist.
-
- Aus Art. 94 GG ergibt sich, dass das BVerfG in Fragen der Verletzung des Grundgesetzes entscheidet. Jede behördliche oder richterliche Verletzung einfachen Rechts stellt in aller Regel auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG) und oft auch gegen die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip dar.
- Aus Art. 95 GG ergibt sich jedoch, dass die obersten Gerichtshöfe (BGH, BVerwG, BFH, BAG, BSG) in ihren Gerichtszweigen „als oberste Gerichtshöfe“ letztinstanzlich entscheiden.
- Das Bundesverfassungsgericht ist gerade keine „Superrevisionsinstanz“. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde prüft es daher nicht die Verletzung jeglichen Rechts (z.B. Art. 3 I GG, 2 I GG), sondern lediglich die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.
- Es haben sich folgende Fallgruppen herausgebildet:
- Willkür
- Verfassungsnorm wurde gänzlich übersehen (Anwendungsdefizit)
- Verfassungsnorm wurde grundsätzlich falsch angewendet und die gerichtliche Entscheidung beruht auf diesem Fehler (Fehlbewertung)
- Verstoß gegen die Justizgrundrechte (Art. 19 IV; Art. 101; Art. 103. I, II, III GG)
- Hohe Eingriffsintensität (str.)
- Beachte insg. die bei der Urteilsverfassungsbeschwerde stets erforderliche Unterscheidung in Verfassungsmäßigkeit der Einzelmaßnahme (Verwaltungsakt oder Urteil) sowie des Gesetzes.
- Exekutive → Exekutivaktverfassungsbeschwerde
Auch hier muss eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts vorliegen (s.o.).