- Inhaltsverzeichnis
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand
- Tatsubjekt / Täter
- Tathandlung
- Erfolgseintritt (bei Erfolgsdelikten)
- Kausalität zwischen Handlung und Erfolg
- Objektive Zurechnung
- Gefahrschaffung
- Risikozusammenhang
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale (§ 15 Var. 1 StGB)
- Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Regelbeispiele / Strafzumessungsregeln
- Sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen
Für Fahrlässigkeitsdelikte, unechte Unterlassungsdelikte und Versuch, siehe die jeweils besonderen Prüfungsschemata.
Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Tatsubjekt / Täter
Bei echten Sonderdelikten begrenzter Täterkreis
Beispiel: Amtsträger (§§ 331 ff. StGB i.V.m. § 11 I Nr. 2 StGB)
Tathandlung
- Noch willensgetragen: automatisiertes Verhalten, Affekttaten, Spontanhandlungen, Kurzschlussreaktionen.
- Nicht mehr willensgetragen: Reflexe, Instinkthandlungen, Bewegungen in der Bewusstlosigkeit oder im Schlaf.
- Abgrenzung Tun / Unterlassen gem. h.M. nach Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit.
Erfolgseintritt (bei Erfolgsdelikten)
Beispiele: Gesundheitsschädigung (§ 223 I StGB); Tod eines Menschen (§ 212 I StGB); konkrete Verkehrsgefährdung (§ 315c StGB)
Kausalität zwischen Handlung und Erfolg
Objektive Zurechnung
Gefahrschaffung
Der Täter muss eine durch die Rechtsordnung insgesamt missbilligte Gefahr schaffen.
- Nicht bei sozialadäquatem oder erlaubtem Risiko
Verhalten wird gesellschaftlich toleriert oder hält sich im Rahmen des allgemeinen Lebensrisikos.
Beispiele: Autofahren; A überredet B zu einer Reise mit dem Flugzeug, das wie erhofft abstürzt; A bringt B zur Welt (der vierzig Jahre später C ermordet).
Risikozusammenhang
Gerade die rechtlich missbilligte Gefahr muss sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert haben (Risikozusammenhang).
Zu dieser Bestimmung haben sich folgende Kategorien herausgebildet:
-
Schutzzweck der Norm
Im Erfolg hat sich nicht das vom Schutzzweck der Norm missbilligte Risiko verwirklicht.
Beispiel: A missachtet eine rote Ampel und überfährt erst 2 km weiter, unter Einhaltung der Verkehrsregeln B (die rote Ampel schützt nicht davor, dass A zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort fährt).
-
Nicht bei völlig atypischen Kausalverläufen oder geringer Wahrscheinlichkeit (str.)
Erfolg liegt völlig außerhalb dessen, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten war. (Im Falle nur geringer Abweichungen ggf. kein Vorsatz bzgl. Kausalverlauf, s.u.).
Beispiel: A tritt B auf den Fuß, wodurch sich ein Blutgerinnsel löst, das zu einem tödlichen Schlaganfall führt; teilweise wird auch der o.g. Fall, in dem A den B zu einer Reise im später abstürzenden Flugzeug überredet, hier eingeordnet.
-
Nicht bei eigenverantwortlichem Dazwischentreten Dritter
Ein Dritter muss vorsätzlich (a.A.: voll eigenverantwortlich = mindestens grob fahrlässig) eine auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründen.
Beispiel: A gibt B Gift. B wird im Krankenhaus von C erstickt.
Aber: Das geschaffene Risiko oder Dazwischentreten darf nicht bereits in der Tathandlung angelegt sein.
Beispiel: A zündet ein Haus an. Feuerwehrmann C kommt voll eigenverantwortlich zur Hilfe und stirbt dabei.
- Nicht bei freiverantwortlicher Selbstgefährdung oder einverständlicher Fremdgefährdung
-
- Freiverantwortliche Selbstgefährdung (oder -schädigung)
Tatherrschaft liegt beim Opfer und nicht beim Täter. Aber keine objektive Zurechnung, sofern sich die Mitwirkung des lediglich in Veranlassung, Ermöglichung oder Förderung der freiverantwortlichen Selbstgefährdung erschöpft. Freiverantwortlichkeit bedeutet nach.
- e.A. (Exkulpationslösung)
Freiverantwortlichkeit nur nicht, wenn eine der Exkulpationsregelungen analog greift (z.B. Kinder § 19 StGB; psychisch Kranke, § 20 StGB; Menschen in einer Notlage gem. § 35 StGB; Jugendliche ohne die Einsichtsfähigkeit nach § 3 JGG).
- h.M. (Einwilligungslösung; strenger)
Freiverantwortlichkeit nur, wenn das Opfer „ernstlich“ einwilligt und sich der Tragweite des Entschlusses voll bewusst ist; bereits nicht bei Trunkenheit, Depression, Täuschung, Drohung, Irrtum, überlegenem Wissen, Jugendlichkeit u. dergl.
- Einverständliche Fremdgefährdung (oder -schädigung)
Tatherrschaft liegt beim Täter und nicht beim Opfer. Behandlung umstritten:
- e.A.: Keine objektive Zurechnung, wenn beide das Risiko gleich gut überschauen können (sodass Strafbarkeit ausscheidet).
- a.A.: Objektive Zurechnung gegeben, aber ggf. tatbestandsausschließendes Einverständnis oder rechtfertigende Einwilligung (aber: hier Grenzen insb. d. §§ 216, 228 StGB, sodass i.d.R. eine Strafbarkeit zu bejahen ist).
Subjektiver Tatbestand
Ausführlich hierzu die Übersicht: Vorsatz und Fahrlässigkeit bei § 15 StGB.
Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale (§ 15 Var. 1 StGB)
- Absicht (dolus directus 1. Grades)
Täter will Erfolgseintritt & hält ihn für zumindest möglich.
- Wissentlichkeit (dolus directus 2. Grades)
Täter weiß um Erfolgseintritt oder sieht diesen sicher voraus (& es ist unerheblich, ob er ihn will oder nicht).
- Bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis)
-
- e.A. Möglichkeitstheorie
Täter hält Erfolgseintritt für möglich.
- a.A. Wahrscheinlichkeitstheorie
Täter hält Erfolgseintritt für wahrscheinlich.
- a.A. Gleichgültigkeitstheorie
Täter nimmt die Tatbestandsverwirklichung aus Gleichgültigkeit gegenüber dem Rechtsgut billigend in Kauf.
- Rspr. Billigungstheorie
Täter hält den Erfolgseintritt für möglich und nimmt ihn billigend in Kauf. („Und wenn schon.“)
- Irrtum über den Kausalverlauf
Es genügt, wenn der Täter den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen erfasst. Unwesentliche Abweichungen sind daher irrelevant.
-
- Rspr.: Wesentliche Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf lassen den Vorsatz entfallen. Wesentlich ist eine Abweichung, wenn mit dem konkreten Ablauf nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht gerechnet werden musste oder dieser wertungsmäßig nicht mehr zum ursprünglichen Tatplan passt. (Dann i.d.R. versuchtes Vorsatzdelikt bzgl. Vorstellung + ggf. Fahrlässigkeitsdelikt bzgl. tatsächlichem Ablauf).
- a.A: Anerkennung eines „dolus generalis“, der auch wesentlich abweichende Kausalverläufe umfasst (dann vollendetes Vorsatzdelikt).
- Tatbestandsirrtum auf rechtlicher Seite (§ 16 StGB)
Täter muss keine gesetzlichen Definitionen können, sondern lediglich den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt des Merkmals nach Laienart einigermaßen erfassen (‚Parallelwertung in der Laiensphäre‘).
- Beispiel 1: Gebürtiger Deutscher wirft Bierdeckel mit Strichen weg → (+) Strafbarkeit, da er zwar nicht die Definition einer „Urkunde“ i.S.d. § 274 StGB kennt, aber die grundsätzliche Beweisfunktion des Bierdeckels
- Beispiel: Frisch zugezogener Ausländer aus anderem Kulturkreis wirft Bierdeckel mit Strichen weg → (–) Strafbarkeit, sofern er auch in der Laiensphäre die Bedeutung des Bierdeckels nicht kennt.
- Tatbestandsirrtum auf Seiten des Sachverhaltes
-
- Error in persona (= anvisiertes Objekt wird getroffen, aber Irrtum über dessen Identität): Bei Gleichwertigkeit Vorsatz, bei Nicht-Gleichwertigkeit i.d.R. Fahrlässigkeit (h.M., str.).
- Aberratio ictus (= anderes als anvisiertes Objekt wird getroffen)
- e.A. Konkretisierungstheorie
Versuch bzgl. anvisiertem und ggf. Fahrlässigkeit bzgl. getroffenem Objekt.
- a.A. Gleichwertigkeitstheorie
Versuch bzgl. anvisiertem und („Gattungs“)Vorsatz bzgl. getroffenem Objekt.
Sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
Beispiele: Zueignungsabsicht (§§ 242 I, 249 StGB), Bereicherungsabsicht (§§ 253, 259, 263 StGB)
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Schuld
Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.
Regelbeispiele / Strafzumessungsregeln
- ‚Besonders schwere Fälle‘ wirken sich strafschärfend aus, ‚minder schwere Fälle‘ strafmildernd.
- Regelbeispiele indizieren Vorliegen eines besonders schweren / minder schweren Falls (z.B. §§ 240 IV, 243, 263 III StGB), sind aber nicht abschließend und nicht zwingend.
Sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen
-
Strafantrag (§§ 77ff StGB)
Beispiele: Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Körperverletzung (§ 230 StGB), Sachbeschädigung (§ 303c StGB)
-
Persönliche Strafaufhebungsgründe
Beispiele: Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB); Rücktritt vom Versuch der Beteiligung (§ 31 StGB)
-
Persönliche Strafausschließungsgründe
Beispiele: Keine Strafbarkeit der Begünstigung der eigenen Person (§ 258 V StGB) oder von Angehörigen § 258 VI StGB); Selbstgeldwäsche (§ 261 VII StGB)