- Inhaltsverzeichnis
- Aufdrängende Sonderzuweisung
- Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
- Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
- Allgemeine Abgrenzungstheorien
- Sonderfälle
- Widerruf / Rücknahme einer Handlung
- Subventionsvergabe
- Nutzung von / Zugang zu öffentlichen Einrichtungen
- Hausverbot durch Behördenleiter
- Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
- Keine abdrängende Sonderzuweisung
Aufdrängende Sonderzuweisung
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine spezialgesetzliche aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt; insb. für:
- Wehrpflichtige (§ 32 WPflG)
- Zivildienst (§ 78 II ZDG, der auch § 32 WPflG für anwendbar erklärt)
- Beamte (§ 126 I BBG und § 54 I BeamtStG, die dem alten § 126 I BRRG folgen)
- Richter (§§ 46, 71 III DRiG; die Normen verweisen auf die für Beamte geltenden Vorschriften und somit mangels Spezialregelungen im DRiG auf die § 126 I BBG und § 54 I BeamtStG)
- Richtervertretungen (§ 60 DRiG)
- Bundesdisziplinarsachen (§ 45 BDG, das die alte BDO ersetzt)
- Soldaten (§ 82 SG; allerdings enthält die Norm selbst wiederum eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Wehrdienstgerichten – insb. für disziplinarrechtliche Angelegenheiten nach der WDO und sog. truppendienstrechtliche Angelegenheiten in § 17 II WBO)
- Streitigkeiten aus dem BAföG (§ 54 BAföG)
Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor (zuerst prüfen), richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO, wonach es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (1.) nicht-verfassungsrechtlicher Art (2.) handeln muss, für die keine abdrängende Sonderzuweisung (3.) gegeben ist.
Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Prüfungspunkt dient der Abgrenzung zum Privatrecht.
Allgemeine Abgrenzungstheorien
Nur dann, wenn die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, nicht nach der modifizierten Subjektstheorie beantwortet werden kann, ist auf die anderen beiden Abgrenzungstheorien einzugehen.
Sonderfälle
Widerruf / Rücknahme einer Handlung
Gemäß der actus-contrarius-Theorie bestimmt sich die Rechtsnatur einer die Rückgängigmachung bezweckenden Handlung nach der Rechtsnatur der gewährenden Handlung.
Beispiel: Wenn gewährender / eingreifender Akt ein VA war, sind auch Widerruf und Rücknahme (§§ 48, 49 VwVfG) VAs.
Subventionsvergabe
Grundsatz: Bei der Vergabe staatlicher Subventionen wird grds. nach der Zwei-Stufen-Theorie unterschieden in...
Stufe
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ÖffR / PrivatR
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1. Stufe
Begründungsverhältnis = „ob“ eine Leistung gewährt wird
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Stets öffentlich-rechtlich.
(pro) Bindung an Grundrechte (insb. Art. 3 I GG); Nachteile des Beibringungsgrundsatzes der ZPO („Keine Flucht ins Privatrecht”)
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2. Stufe
Abwicklungsverhältnis = „wie“ eine Leistung gewährt wird
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Kann beides sein (Formfreiheit)
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Privatrechtlich,
z.B. wenn Subventionsbescheid nur Anspruch auf Abschluss eines zivilrechtlichen Darlehensvertrages enthält
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Öffentlich-rechtlich,
z.B. wenn Subventionsbescheid unmittelbare Grundlage für den Anspruch auf Auszahlung ist
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Ausnahme: Die Zwei-Stufen-Theorie kann nicht angewandt werden auf einstufige Zuwendungen, die nicht zurückgezahlt werden müssen (‚verlorene Zuschüsse‘) und bei denen daher das „ob“ und das „wie“ in einem Akt festgelegt werden. Diese sind aufgrund der Grundrechtsbindung hoheitlicher Stellen stets öffentlich-rechtlicher Natur.
Nutzung von / Zugang zu öffentlichen Einrichtungen
Bei der Nutzung von bzw. dem Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (z.B. Benutzung einer Stadthalle, Zutritt zu einem Volksfest, Aufnahme in einen Kindergarten…) wird ebenfalls nach der Zwei-Stufen-Theorie unterschieden in:
Stufe
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Einrichtung wird unmittelbar privat betrieben
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Einrichtung wird unmittelbar öffentlich betrieben
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1. Stufe
Begründungsverhältnis = „ob“ eine Leistung gewährt wird
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Stets öffentlich-rechtlich.
Begründung (s.o.)
→ ÖffR. Träger muss auf privatr. Träger einwirken, um dem Anspr. Geltung zu verschaffen
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Stets öffentlich-rechtlich
Begründung (s.o.)
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2. Stufe
Abwicklungsverhältnis = „wie“ eine Leistung gewährt wird
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Stets zivilrechtlich.
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Kann beides sein (Formfreiheit)
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Privatrechtlich
z.B. mittels AGBs, dann: ‚Miete‘ oder ‚Entgelt‘
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Öffentlich-rechtlich,
z.B. mittels Satzung, dann: ‚Gebühr‘
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Hausverbot durch Behördenleiter
Differenzierungs-kriterium / Ergebnis
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h.M. Form des Hausverbotes
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a.A. Zweck des Hausverbotes
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a.A. Zweck des Aufenthalts
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Öff.-rechtl. Sachherrschaftsrecht
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Erlass in verwaltungsrechtlicher Handlungsform (insb. VA)
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Hausverbot dient der Aufrechterhaltung des öff.-rechtl. Betriebs (z.B. Querulanten)
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Zweck des Aufenthalts ist öff.-rechtl. Natur (z.B. Besuch der Gemeinderatssitzung)
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Privatrechtl.
Besitz-/Eigentumsrecht
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Erlass in sonstiger Handlungsform
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Hausverbot dient privaten Interessen (z.B. Erzfeind des Bürgermeisters)
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Zweck des Aufenthalts ist privater Natur (z.B. Aufwärmen im Winter)
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Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
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Zweck: Abgrenzung zur Zuständigkeit des BVerfG
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Eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn die sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben ist:
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Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, dann ist die Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art (→ nach h.M. bei Beteiligung eines Privaten stets der Fall; insb. wegen Einführung der Individualverfassungsbeschwerde aber zunehmend str.).
Keine abdrängende Sonderzuweisung
Es darf keine abdrängende Sonderzuweisung - durch Vorschriften, die ein anderes Gericht für zuständig erklären - vorliegen. Eine solche existiert insb. für:
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Zuweisungen an die „besonderen Verwaltungsgerichte“
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Bestimmte staatshaftungsrechtliche Streitigkeiten (§ 40 II 1 VwGO), nämlich:
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Aufopferungsanspruch (Var. 1)
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Ansprüche aus öffentl.-rechtl. Verwahrung (Var. 2)
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Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentl.-rechtl. Pflichten, die nicht auf einem öffentl.-rechtl. Vertrag beruhen (Var. 3)
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Insb. Ansprüche aus enteignungsgleichem und aufopferungsgleichem Eingriff, aus öffentlich-rechtlichen Benutzungs- und Leistungsverhältnissen sowie aus öffentlich-rechtlicher GoA
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Gem. HS. 2 explizit nicht: Ausgleichsansprüche i.R.v. Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach Art. 14 I S. 2 GG → Hier Verwaltungsrechtsweg eröffnet
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Zielgerichtete Enteignungen (Art. 14 III 4 GG)
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Baulandsachen (§ 217 I 4 BauGB)
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Amtshaftungsansprüche (Art. 34 S. 3 GG)
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Entschädigungsansprüche bei Widerruf eines Verwaltungsakts (§ 49 VI 3 VwVfG)
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Freiheitsentziehungen (Art. 104 II 1 GG i.V.m. Polizeigesetz des Landes wie z.B. Art. 18 II 1 BayPAG; § 31 II Berl ASOG)
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Strafrechtspflege (§ 23 EGGVG)