- Inhaltsverzeichnis
- Zulässigkeit
- Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO)
- Aufdrängende Sonderzuweisung
- Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
- Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
- Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
- Keine abdrängende Sonderzuweisung
- Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (§ 42 I Var. 1 VwGO)
- Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der Anfechtungsklage
- Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
- Vorverfahren / Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO)
- Klagefrist (§ 74 I VwGO)
- Klagegegner / Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
- Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
- Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)
- Zuständiges Gericht (§§ 45, 52 VwGO)
- Ordnungsgemäße Klageerhebung (§§ 81, 82 VwGO)
- Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
- Ggf. Beiladung / Klagehäufung
- Begründetheit
- Rechtmäßigkeit des VA
- Ermächtigungsgrundlage
- Formelle Rechtmäßigkeit
- Zuständigkeit
- Verfahren
- Form
- Materielle Rechtmäßigkeit
- Tatbestand
- Rechtsfolge
- Rechtsverletzung beim Kläger
Zulässigkeit
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO)
Aufdrängende Sonderzuweisung
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine spezialgesetzliche aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt (insb. § 32 WPflG; § 78 II ZDG i.V.m. § 32 WPflG; § 126 I BBG / § 54 I BeamtStG; §§ 46, 71 III DRiG; § 60 DRiG; § 45 BDG; § 82 SG; § 54 BAföG).
Generalklausel des § 40 I 1 VwGO
Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor (zuerst prüfen), richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO, wonach es sich (a) um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (b) nicht-verfassungsrechtlicher Art handeln muss, für die (c) keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist.
Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Prüfungspunkt dient der Abgrenzung zum Privatrecht.
- Allgemeine Abgrenzungstheorien
Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen bzw. verpflichten (h.M. Modifizierte Subjektstheorie / Sonderrechtstheorie; a.A. Subordinationstheorie; a.A. Interessentheorie).
- Sonderfälle
- Widerruf / Rücknahme einer Handlung: actus-contrarius-Theorie
- Subventionsvergabe: Zwei-Stufen-Theorie; Ausnahme: Verlorene Zuschüsse
- Nutzung von / Zugang zu öffentlichen Einrichtungen: Zwei-Stufen-Theorie
- Hausverbot durch Behördenleiter: Differenzierung nach Form des Hausverbotes (h.M.; a.A. Zweck des Hausverbotes; a.A. Zweck des Aufenthalts)
Jeweils ausführlich hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art
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Zweck: Abgrenzung zur Zuständigkeit des BVerfG
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Eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn die sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben ist:
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Beide Seiten sind unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte (formelles Kriterium) und ...
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Streitgegenstand sind im Kern unmittelbar verfassungsrechtliche Rechte bzw. Pflichten (materielles Kriterium).
Keine abdrängende Sonderzuweisung
Es darf keine abdrängende Sonderzuweisung - durch Vorschriften, die ein anderes Gericht für zuständig erklären - vorliegen (z.B. § 51 SGG; § 33 FGO; § 40 II 1 VwGO; Art. 14 III 4 GG; Art. 34 S. 3 GG; § 217 I 4 BauGB; § 49 VI 3 VwVfG; Art. 104 II 1 GG i.V.m. Polizeigesetz des Landes wie z.B. Art. 18 II 1 BayPA / § 31 II Berl ASOG; letztlich insb. § 23 EGGVG für ‚Strafrechtspflege‘ = Repressive Tätigkeit / Strafverfolgung)
Siehe jeweils hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (§ 42 I Var. 1 VwGO)
Die statthafte Klageart bestimmt sich vor den Verwaltungsgerichten stets nach dem Begehren des Klägers (§ 88 VwGO). Maßgeblich ist dabei, was der Kläger tatsächlich will und nicht der von ihm vorgebrachte Wortlaut (§ 86 III VwGO).
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Zweck: Insb. Abgrenzung zur Verpflichtungsklage
Folge der erfolgreichen Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO die unmittelbare Aufhebung des VAs durch das Gericht (Gestaltungsklage). Folge der erfolgreichen Verpflichtungsklage ist hingegen lediglich die (vollstreckbare, § 172 S. 1 VwGO) Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines VAs. Erstere ist somit rechtsschutzintensiver und entspricht daher oft eher dem klägerischen Begehren.
- Voraussetzung
Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines nicht erledigten (vgl. § 43 II VwVfG) Verwaltungsaktes (siehe das Schema Merkmale eines Verwaltungsaktes, § 35 VwVfG) begehrt (§ 42 I 1. Alt. VwGO).
Beispiele für Erledigung (siehe § 43 II VwVfG):
- Rücknahme (§ 48 VwVfG)
- Widerruf (§ 49 VwVfG)
- Zeitablauf eines befristeten VAs (§ 36 II Nr. 1 / 2 VwVfG)
- Nicht: Der bloße Vollzug (siehe § 113 I 2 VwGO, der auf S. 1 aufbaut („auch“), welcher wiederum die Aufhebung eines bestehenden – also nicht erledigten – VAs voraussetzt).
Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen der Anfechtungsklage
Klagebefugnis (§ 42 II VwGO)
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Zweck: Insb. Vermeidung von Popularklagen
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Der Kläger ist klagebefugt, wenn er substantiierte Tatsachen vortragen kann, die es zumindest möglich erscheinen lassen (h.M., Möglichkeitstheorie), dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und er dadurch in einem subjektiven Recht verletzt ist.
- Dies ist insb. der Fall, wenn der Kläger Adressat eines belastenden VAs ist, da dann zumindest eine Verletzung in Art. 2 I GG möglich erscheint (Adressatentheorie).
Vorverfahren / Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO)
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Zweck: Selbstkontrolle der Verwaltung und dadurch Entlastung der Gerichte (aber: meist erfolglos und dann nur zusätzliche Bürokratie; daher in vielen Bundesländern Abschaffung, s.u.)
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Siehe zu den hier unter 2. sehr knappen Ausführungen das ausführliche Schema Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO).
- Grundsatz: Vor Erhebung der Anfechtungsklage ist grds. ein Widerspruchsverfahren gem. § 68 ff. VwGO durchzuführen (§ 68 I 1 VwGO).
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Ausnahmen: Ein solches ist unstatthaft / entbehrlich. Fallgruppen sind...
- Das Widerspruchsverfahren muss erfolglos sein, d.h. es endet mit:
- Widerspruchsbescheid (§ 73 VwGO)
- Untätigkeit der Behörde (§ 75 VwGO)
- Reformation in peius („Verböserung“) - grds. möglich (h.M.)
(pro) Telos: Gesetzesbindung und Selbstkontrolle der Verwaltung; Systematik: Nachträgliche Verschlechterung auch über §§ 48, 49 VwVfG möglich
Klagefrist (§ 74 I VwGO)
- Verweisungen
- VwGO verweist auf ZPO (§ 57 II VwGO)
- ZPO verweist auf BGB (§ 222 I ZPO)
- Fristdauer
- Grds.: Ein Monat (§ 74 I 1 sowie 2 VwGO)
- Ausnahme: Ein Jahr bei fehlender / falscher Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 II VwGO)
- Fristbeginn
- Bei erforderlichem Widersp.verfahren: Ab Zustellung des Widersp.bescheides (§ 74 I 1 VwGO)
- Bei Entbehrlichkeit des Widers.verfahrens: Ab Bekanntgabe (§ 41 VwVfG; beachte Drei-Tages-Fiktion in Abs. 2) des VAs (§ 74 I 2 VwGO)
- Ausnahme: Kläger beantragt Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, weil er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten ( § 60 I VwGO)
- § 187 BGB: Bestimmung des ersten Tages
- Fristende
- § 188 BGB: Bestimmung des letzten Tages
- Beachte zudem: § 222 II ZPO für die Verschiebungen des Fristendes, wenn dieses auf einen Samstag (‚Sonnabend‘), Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt
Klagegegner / Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
Klagegegner ist...
- Grundsätzlich: Rechtsträger (Bund / Land / Gemeinde) der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 78 I Nr. 1); aber da der Rechtsträger einer Behörde für juristische Laien nicht immer einfach zu ermitteln ist, genügt gem. § 78 I Nr. 1 Hs. 2 VwGO für die Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde.
- Ausnahme: Behörde ist selbst Beklagte, wenn das Landesrecht dies anordnet:
- BB: § 8 II 1 BbgVwGG
- MV: § 14 II GerStrukGAG
- NI: § 79 II NJG & § 8 II AG VwGO
- SA: § 8 S. 2 AG VwGO LSA;
- SH: § 69 LJG SchlH und § 6 S.2 AGVwGO SH
- SL: § 19 II AGVwGO
Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen
Beteiligten- und Prozessfähigkeit (§§ 61, 62 VwGO)
- Sowohl Kläger als auch Beklagter müssen beteiligten- und prozessfähig sein
- Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)
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Natürliche und juristische Personen (§ 61 Nr. 1 VwGO)
- Natürliche Personen, sofern sie rechtsfähig i.S.d. bürgerlichen Rechts sind (§ 1 BGB)
- Juristische Personen des Privatrechts (GmbH, AG, e.V., ...) sowie des öffentlichen Rechts (Bund, Land, Gemeinden, Körperschaften, Anstalten, Stiftungen) sowie ihnen gleichgestellte, die in eigenem Namen klagen und verklagt werden können (Gewerkschaften, Parteien, nicht rechtsfähige Vereine ...)
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Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (§ 61 Nr. 2 VwGO)
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Behörden entspr. Landesrecht (§ 61 Nr. 3 VwGO)
- Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO)
- Nach bürgerlichem Recht (§ 104 ff. BGB) unbeschränkt Geschäftsfähige (§ 62 I Nr. 1 VwGO)
- Nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähige, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen (z.B. §§ 112 ff. BGB) oder öffentlichen Rechts (z.B. § 10 FeV, § 5 RelKErzG, § 80 AufenthG) für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind (§ 62 Nr. 2 VwGO)
- Wer selbst nicht prozessfähig ist muss sich vertreten lassen. Für Vereinigungen, Behörden sowie für juristische Personen handeln ihre gesetzlichen / rechtsgeschäftlichen Vertreter oder bes. Beauftragte (§ 62 III VwGO); z.B. Bürgermeister für Gemeinde, Geschäftsführer für GmbH
Zuständiges Gericht (§§ 45, 52 VwGO)
- Sachliche Zuständigkeit (§ 45 VwGO)
- Instanziell: Im ersten Rechtszug grds. Verwaltungsgerichte (§ 45 VwGO)
- Örtliche Zuständigkeit (§ 52 VwGO, ggf. i.V.m. Landesnormen wie BY: Art. 1 II AGVwGO / NI: § 73 II JustizG)
Ordnungsgemäße Klageerhebung (§§ 81, 82 VwGO)
- Form
- Schriftlich (§ 81 I 1 VwGO) = In Schriftform und mit Unterschrift des Klägers/Bevollmächtigten (h.M.); (pro) Nachweis von Urheberschaft und Wille zur Klageerhebung); wg. Art. 19 IV GG auch ohne Unterschrift, wenn vergleichbare Gewähr für Urheberschaft vorliegt (str.); Elektronische Einreichung (z.B. E-Mail) nur unter Voraussetzungen des § 55a VwGO (z.B. DE-Mail) oder
- zu Protokoll bei der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts (§ 81 I 2 VwGO)
- Inhalt
- Pflichtangaben (§ 82 I 1 VwGO „muß“): Kläger, Beklagter und Gegenstand des Klagebegehrens
- Lediglich Soll-Vorschrift (§ 82 I 2, 3 VwGO; Nichteinhaltung führt nicht zur Unzulässigkeit): Bestimmter Antrag; zur Begründung dienende Tatsachen und Beweismittel; angefochtene Verfügung und Widerspruchsbescheid
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Ggf. Beiladung / Klagehäufung
- Beiladung (§ 65 VwGO)
- Einfache (fakultative) Beiladung (§ 65 I VwGO)
- Notwendige (obligatorische) Beiladung (§ 65 II VwGO)
- Objektive Klagehäufung (§ 44 VwGO)
- Subjektive Klagehäufung / Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO)
- Einfache Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO i.V.m. §§ 59, 60 ZPO)
- Notwendige Streitgenossenschaft (§ 64 VwGO i.V.m. § 62 ZPO)
Begründetheit
Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist ( § 113 I 1 VwGO).
Rechtmäßigkeit des VA
Siehe zu den hier unter I. sehr knappen Ausführungen ausführlich das Schema Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes (§ 35 S. 1 VwVfG).
Ermächtigungsgrundlage
Hier ggf. inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage.
Formelle Rechtmäßigkeit
Beachte hier das spezielle Fehlerfolgenrecht des VwVfG.
Zuständigkeit
Verfahren
Form
Materielle Rechtmäßigkeit
Tatbestand
Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
Rechtsfolge
Gebundene Entscheidung oder Ermessen? Nach h.M. hier auch Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie von Grundrechten.
Rechtsverletzung beim Kläger
Der Kläger muss in eigenen Rechten verletzt sein.
- Rechtmäßiger VA: Nie Rechtsverletzung
- Rechtswidriger VA
- Kläger ist selbst Adressat des VAs: Stets zumindest Verletzung in Art. 2 I GG
- Kläger ist nicht selbst Adressat des VAs (Drittanfechtungsklage): Es muss eine drittschützende Norm verletzt sein (s.o. Klagebefugnis)